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Leitungswechsel am Albert-Schweitzer-Gymnasium

Ein leiser Abschied und Neuanfang

Ein Artikel aus der Leonberger Kreiszeitung von Ulrike Otto vom 25.08.2020

 

 

Normalerweise gibt es zum Abschied eine große Feier. Schüler und Lehrerkollegen verabschieden den scheidenden Rektor mit Reden und musikalischen Beiträgen. Ein Vertreter des Regierungspräsidiums überreicht eine Abschiedsurkunde und dann wird gefeiert. Das gleiche Prozedere noch einmal bei der Einsetzung des Nachfolgers oder der Nachfolgerin.

Doch in Corona-Zeiten ist halt nichts mehr normal. Da wird aus dem Abschied und der „Amtsübergabe“ ein Bürotermin im Regierungspräsidium. Mit Urkunde und Handschlag. Ein leiser Abschied in einer turbulenten Zeit – das hatte sich Klaus Nowotzin sicher anders vorgestellt. Die mit der Corona-Pandemie verbundenen Aufgaben hätten ihn in den letzten Monaten als Rektor des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Leonberg sehr gefordert. „Aber sie machen aufs Ganze gesehen eben nur die letzten Monate meines Schaffens aus“, sagt der 65-Jährige.

 

Vom Lehrer zum Hausmann

 

1955 in Konstanz geboren, verbrachte er die ersten sechs Jahre in Salem am Bodensee, bevor die Familie nach Kaufbeuren zog. Später studierte in Freiburg Germanistik und Politikwissenschaft, bevor er sein Referendariat in Weinsberg und Öhringen absolvierte. Erste Stationen als Lehrer führten ihn nach Ellwangen und Markgröningen. In dieser Zeit heiratete er seine Frau Rose-Renate, eine Kinderärztin. Ihr Beruf war es schließlich, der die Familie, mittlerweile um zwei Kinder gewachsen, 1999 für vier Jahre auf die Nordseeinsel Wangerooge führte. Sie übernahm die ärztliche Leitung einer neu aufzubauenden Mutter-Kind-Kurklinik.

Klaus Nowotzin übernahm die Rolle des Hausmannes, kümmerte sich um die Kinder, Haus und Hof, hielt seiner Frau den Rücken frei, wie er erzählt. „Vormittags habe ich aufgeräumt, geputzt und gekocht und am Nachmittag die Kinder bespaßt, wenn sie aus der Kita nach Hause kamen“, sagt er. Nebenbei fand er die Zeit zum Schreiben. Es entstand der autobiografische Roman „Insel der Auszeit“. Ein Lebenstraum, den er allerdings erst im Alter von 62 Jahren im Eigenverlag veröffentlichte.

 

Ein Vater kämpft für Gleichberechtigung

 

In den vier Jahren auf der Insel wurde er außerdem zum Kämpfer in Sachen Gleichberechtigung für Väter. Denn das Kulturministerium wollte ihm damals nur Elternzeit bis zum dritten Geburtstag seines Sohnes gewähren. Sollte er nicht in den Schuldienst zurückkehren, würde er eine Besoldungsstufe herabgestuft. Nowotzin zog vor Gericht und gewann in zwei Instanzen. Ein Erfolg, der ihm sogar den Besuch des mittlerweile eingestellten ZDF-Gesellschaftsmagazins „Mona Lisa“ einbrachte. Denn damals hatten erst zwei Prozent der Väter überhaupt die Möglichkeit der Elternzeit in Anspruch genommen.

2003 zog die Familie wieder zurück in die Region. Klaus Nowotzin wurde Abteilungsleiter Deutsch und Gesellschaftswissenschaften am Gymnasium Rutesheim. Seit 2008 war er zudem stellvertretender Landesvorsitzender des Philologenverbandes, der Vertretung der Gymnasiallehrern. Nur ein Jahr später wurde er Rektor am ASG in Leonberg.

Die Nachfolgerin ist seit 2008 an der Schule

 

 

In der Rückschau auf die elf Jahre dort gibt es viele Dinge, auf die er stolz ist. „Das Schulleitungsteam aus Schulleiter, Stellvertreterin und Abteilungsleitern ist in dieser Zeit konstant geblieben“, hebt er hervor. Zu den großen Errungenschaften zählt er den Aufbau von Bildungspartnerschaften mit lokalen Unternehmen wie Geze und Lewa, Bosch und Trumpf, der Kreissparkasse, aber auch mit der Uni Tübingen, dem Finanzamt oder der KZ-Gedenkstätteninitiative. Zu seinen persönlichen Höhepunkten zählt Nowotzin den Besuch des Überlebenskünstlers Rüdiger Nehberg oder einen Vortrag des Journalisten Franz Alt, der eine Seelenverwandtschaft zwischen Albert Schweitzer und dem Dalai Lama beschrieb.

Zur Höchstform lief der Schulleiter jedes Jahr im Januar auf, wenn die Elftklässler des ASG zum politischen Frühstück einluden. Zur letzten Ausgabe unter seiner Ägide hatten sich die Schüler besonders ins Zeug gelegt und fünf aktive sowie ein ehemaliges Bundestagsmitglied eingeladen.

 

Auch schwierige Zeiten gehören dazu

 

Doch nicht nur mit solch positiven Entwicklungen hatte Klaus Nowotzin in seiner Zeit als Schulleiter am ASG zu tun. So geriet die Schule im vergangenen Sommer bundesweit in die Schlagzeilen, weil Schüler in einer Chatgruppe Nachrichten mit teils rassistischen Inhalten verschickt und zudem Lehrer verunglimpft hatten. Nowotzin selbst hatte den Fall bei der Polizei angezeigt. Auch wenn er die Lösung von Problemen mit pädagogischen Mitteln stets vorzog – in diesem Fall waren die Verfehlungen zu groß.

Und dann kam im Frühjahr die Corona-Pandemie dazu. Nicht nur eine Herkules-Aufgabe für die Schule und ihren Leiter. Auch persönlich keine einfache Zeit. „Mein Sohn wollte nach seinem Studium für ein Jahr als Backpacker Australien erleben“, erzählt er. Nach einem kurzen Besuch in Thailand durfte er nicht wieder nach Australien, hatte zudem Probleme, nach Deutschland zurückzukommen. Seine Tochter lebt und arbeitet in Madrid und hatte dort mit einem Lockdown zu kämpfen, der weitaus strenger war als in Deutschland.

 

Mathematik, Religion und Englisch

 

Seine Nachfolgerin am ASG ist indes kein neues Gesicht. Sandra Heyn arbeitet seit 2008 an der Schule. 1970 in Aachen geboren, studierte sie dort an der RWTH die Fächer Mathematik, katholische Theologie und Englisch auf Lehramt an Gymnasien. Nach dem Referendariat und zweiten Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen wechselte sie nach Baden-Württemberg, wo sie zunächst in Stuttgart und Sindelfingen unterrichtete. Am ASG war die Oberstudienrätin unter anderem Beauftragte für Chancengleichheit und in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationen mit außerschulischen Partnern und bei sozialen Aktivitäten der Schulgemeinschaft tätig. Zudem ist sie stellvertretende Vorsitzende des Freundeskreises des Albert-Schweitzer-Gymnasiums.