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Highlight: Sechs Bundestagsabgeordnete am ASG

Kaffee, Klimawandel und Kontroverse

Ein Artikel aus der Leonberger Kreiszeitung von Ulrike Otto vom 10.01.2020

 

Lebhaft diskutieren die Schüler mit den Politikern. „Wenn Sie nicht über Ihre Zukunft entscheiden, tun es andere“, sagt zum Beispiel Ute Vogt. Foto: factum/Jürgen Bach

 

Leonberg - Darf ich Du sagen oder wollt ihr lieber gesiezt werden?“, fragt Judith Skudelny die zehn Schüler, die wie sie an zusammengeschobenen Tischen im   Physikzimmer des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Leonberg sitzen. Der Tisch ist gedeckt, es gibt Brötchen und Brezeln, Kaffee und Orangensaft. Es ist kurz nach acht Uhr. Die FDP-Bundestagsabgeordnete greift nach der Kaffeekanne. „Es gibt einen Grund, warum ich Politikerin bin und keine Lehrerin. Ich sag’ nur so viel: Die Schüler sind es nicht.“ Die Zwölftklässler lachen. Der Damm ist gebrochen.

Einmal im Jahr lädt das ASG zum politischen Frühstück ein, organisiert vom Gemeinschaftskunde-Neigungskurs, der diesmal ein Kooperationskurs mit dem benachbarten Johannes-Kepler-Gymnasium ist. In kleinen Gruppen, bei Kaffee und Marmeladenbrötchen, diskutieren Schüler und Politiker über die große und die kleine Politik. In diesem Jahr, in dem keine Wahl ansteht, ist es eher die große Politik. Und das mit hochkarätigen Teilnehmern. Zu Gast sind mit Marc Biadacz (CDU), Ute Vogt (SPD), Volker Münz (AfD), Matthias Gastel (Grüne), Judith Skudelny (FDP) gleich fünf Abgeordnete des aktuellen Bundestags sowie mit dem Linken-Politiker Richard Pitterle ein ehemaliger. Nach zwei Gesprächsrunden mit zwei verschiedenen Politikern, die zwischen 20 und 25 Minuten dauern, steht noch eine Podiumsdiskussion mit allen im Atrium auf dem Programm.

Viele kleine Seitenhiebe

Auch wenn die Sprache ein klein wenig dem Ort des Geschehens angepasst war, so erlebten die Schüler der Oberstufe eine zwar lebhafte Diskussion über die drei Themen Jugend und Politik, Wirtschaftsstandort Deutschland und Umweltschutz – die aber auch geprägt war von jeder Menge Seitenhieben auf den politischen Kontrahenten.

Etwa wenn der Linke Pitterle der AfD vorwirft, sie sei die Nachfolgerin einer ­Organisation, gegen die er sich schon seit 40 Jahren engagiere, und sich AFD-Mann Münz dabei verhaspelt, die Linke sei ja die Nachfolgerin der SPD – er meinte die SED. Oder wenn der Grüne Gastel und CDU-Vertreter Biadacz darüber streiten, ob die baden-württembergischen Grünen beim Thema Windkraftausbau nun versagt haben oder nicht. Einzig die beiden Frauen in der Runde hielten sich aus den Zickereien heraus, auch wenn das am Ende etwas weniger Redeanteil bedeutete.

Fragen über Fragen

Zusätzlich zu den vorbereiteten Fragen der beiden Moderatoren fühlten auch die Schüler im Publikum den Politikern auf den Zahn. Warum man als Jugendlicher die AfD wählen sollte? Wieso Deutschland so viele Waffen ins Ausland verkauft? Wie kann man mit China Handel treiben, wenn dort die Uiguren verfolgt werden? Wofür steht die SPD noch? Trotz der auf drei begrenzten Themenbereiche ist das Interesse vielfältig. Einige haben sich gut vorbereitet, das wurde schon beim Frühstück klar. Besonders das Thema Umwelt- und Klimaschutz treibt die Jugendlichen um. Am Ende der zweieinhalbstündigen Podiumsdiskussion müssen trotzdem Fragen ungestellt bleiben. Am Ende dürfen die sechs Politiker den jungen Zuhörern noch etwas mit auf den Weg geben. Es reicht von „Informiert und beteiligt euch, es ist eure Zukunft“ (Gastel), über „Bleiben Sie optimistisch und lassen Sie uns unsere Demokratie feiern“ (Biadacz), „Fragen Sie sich, ob das richtig ist oder ob man das nicht anders machen könnte. Und bleiben Sie standhaft“ (Münz) bis hin zu „Sie müssen ihre Zukunft gestalten. Wenn Sie es nicht tun, entscheiden andere“ (Vogt). Die Jugend sei wichtig, weil die Alten irgendwann weg   sind. Doch sie mache sich nach den ­vergangenen zwei Jahren keine Sorgen, sagte Judith Skudelny auch mit Blick auf die durch „Fridays for Future“ politischer ­gewordene Jugend.

 

Politik zum Anfassen für die Wähler von morgen

Ein Artikel aus der Leonberger Kreiszeitung von Ulrike Otto vom 10.01.2020

 

Judith Skudelny, eine gefragte Gesprächspartnerin. Foto: factum/Jürgen Bach

 

Leonberg - Wenn man sich monatelang und vor allem inhaltlich auf einen Termin wie das politische Frühstück am Albert-Schweitzer-Gymnasium vorbereitet, dann kann eine ganz aktuelle Entwicklung schon mal an einem vorbei gehen. Etwa, dass die eingeladene FDP-Politikerin Judith Skudelny kurz vor dem Jahreswechsel einen Drohbrief mit einer Patronenhülse erhalten hat. „Ach, das war die?“ fragt eine Schülerin überrascht.

Schon vor den Herbstferien haben die      Schüler des Gemeinschaftskunde-­Neigungskurses damit begonnen, die 16.   Ausgabe des politischen Frühstücks vorzu­bereiten. „Wir haben die Politiker eingeladen, uns überlegt, welche Themenkomplexe wir ansprechen wollen und so weiter“, berichtet Sophie Drexler. Da es das letzte Schuljahr von Rektor Klaus ­Nowotzin vor seinem Ruhestand ist, wollte man „was richtiges Krasses machen“. Denn über Politik wird am ASG seit jeher viel gesprochen, auch wenn die Schule im    vergangenen Sommer negativ in die Schlagzeilen geriet, weil Neuntklässler in einer Chatgruppe rassistische Nachrichten und Bildchen verschickt hatten.

Alle werden eingeladen

Deshalb ist es den Schülern wichtig, ­alle Richtungen des demokratischen Spektrums einzuladen – auch die AfD. Und das schon, bevor sie 2017 in den Bundestag eingezogen war. „Es gab aber auch Jahre, da ist niemand von der AfD gekommen“, sagt Maja Welzer, Schülerin des ­Johannes-Kepler-Gymnasiums. Deshalb hatte es am Donnerstag noch große Auf­regung gegeben, als der zunächst einge­ladene Co-Landessprecher Dirk Spaniel kurzfristig abgesagt hatte. Doch mit Volker Münz war schnell Ersatz gefunden. „Es ist auch für uns wichtig, Informationen nicht nur aus den Medien zu bekommen, sondern den Politikern persönlich Fragen zu stellen“, sagt Sophie Drexler. So habe man die Diskussion in Gruppen vorbereitet. Aber nicht zu den einzelnen Politikern, sondern zu einzelnen Themen. „Es ist wichtig, Bescheid zu wissen, denn wir sind die Wähler von morgen.“

Waren die Frühstücksrunden in der Vergangenheit immer kürzer, dafür mit drei Politikern, hat der diesjährige Kurs ein anderes Konzept mit zwei längeren Gesprächen gewählt. „So kann man einfach länger diskutieren und jeder kann was sagen“, findet Sophie. Denn die Veranstaltung dient zweierlei Zwecken: Zum einen, sich gezielt mit politischen Themen auseinanderzusetzen. Und zum anderen, den Mitschülern dies auf eine spannende und authentische Weise näherzubringen.